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„Wir sind ein großartiges Team!“
Andrea Magaard neue Chefärztin in der Klinik Husum

Die Klinik Husum hat mit Andrea Magaard die erste Chefärztin für die Leitung der „Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin“ berufen. Nach langjähriger Tätigkeit als Leitende Oberärztin in Husum tritt sie damit die Nachfolge von Duncan Underwood an, der Anfang des Jahres als Leiter der Unternehmensentwicklung ins Management des Klinikums wechselte.

Andrea Magaard wurde 1964 in Springe (Niedersachsen) geboren, machte in Hameln 1984 ihr Abitur, um danach ihr Medizinstudium in Heidelberg zu beginnen.

Nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums in Hamburg erfolgte die Facharztausbildung im WKK Heide. 2002 erfolgte dann der Wechsel ins Klinikum Nordfriesland. Nach einer Assistentenzeit in der Klinik Tönning wechselte Andrea Magaard 2004 in die Klinik Husum. 2008 erfolgte die Ernennung zur Oberärztin, verbunden mit der Leitung der interdisziplinären Intensivstation und 2017 dann zur Leitenden Oberärztin.

Im Rahmen ihrer Tätigkeit gründete sie mit Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fachbereichen das Ethikkomitee des Klinikums. Dieses bietet allen an der Pflege und Behandlung beteiligten Personen Informationen und Entscheidungshilfen in ethischen Konfliktsituationen an.

2013 und 2016 war Andrea Magaard mit der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in Afghanistan und Papua-Neuguinea. Andrea Magaard ist verheiratet, hat drei Kinder und zwei Enkelsöhne, kocht leidenschaftlich gerne und verbringt ihre Freizeit mit Wandern (Jakobsweg) und Singen in der Stadtkantorei Husum.

In einem Gespräch möchten wir die neue Chefärztin Andrea Magaard näher vorstellen:

Frau Magaard, Sie sind die erste Chefärztin der Abteilung „Anästhesie und Intensivmedizin“ in der Klinik Husum. Sind Sie stolz darauf?

Ja, ich bin stolz darauf, diese Position erlangt zu haben. Am meisten freue ich mich aber darüber, wie stolz mein Papa auf mich ist.

War dieser Karriereschritt von der Oberärztin zur Chefärztin ein kleiner oder ein großer Schritt für Sie?

Ich habe in den letzten Jahren meinen Vorgänger Herrn Underwood sehr oft vertreten und bin so schon ein wenig in die Rolle hereingewachsen. Die Position hat mich schon gereizt, eben gerade als Frau, ich habe aber auch Respekt vor ihr. Den letzten Ausschlag hat vielleicht meine älteste Tochter gegeben, die sagte: „Mach das doch Mama“. Neu und sehr herausfordernd sind die Personalverantwortung und Personalführung, das kam in unserer Ausbildung nicht vor!

Sind Sie ein Vorbild für andere Frauen?

Ich hoffe es.

Sehen Sie Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften?

Na klar. Viele Männer haben ein ganz anderes Selbstbewusstsein, hinterfragen sich nicht so häufig oder gar nicht. Frauen lassen sich mehr unter Druck setzten, sie haben oft das Gefühl immer beweisen zu müssen, dass sie genauso gut sind wie Männer. Übrigens nicht nur als Führungskraft.

Was machen Sie als weibliche Führungskraft anders?

Das kann ich so nicht beantworten. Ich habe mir vorgenommen, Dinge anders zu machen. Das ist aber geschlechtsunabhängig.

Mit welchen Argumenten kann man Kollegen/innen dazu ermuntern, sich dem Fach der Anästhesie und Intensivmedizin zuzuwenden?

Die Anästhesie und Intensivmedizin ist ein sehr vielseitiges Gebiet mit ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern und dadurch sehr abwechslungsreich. Frau arbeitet immer im Team und das ist das, was mir am meisten Spaß macht. Die Arbeit (auf der Intensivstation) führt uns oft an unsere Grenzen. Auch das ist manchmal medizinisch und emotional sehr herausfordernd.

Woran muss man Spaß haben, um in der Anästhesie und Intensivmedizin glücklich zu werden?

Schnelle Entscheidungen treffen, in Grenzbereichen arbeiten. Notfall- und Akutmedizin sind gepaart mit manchmal sehr monotonen Zeitabschnitten im OP – dann, wenn die OP gut läuft und der Patient/in sich in einem stabilen Zustand befindet.

Was schätzen Sie am Klinikum Nordfriesland?

Das gute und anspruchsvolle Spektrum bei einer familiären Atmosphäre. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dadurch sehr gut und einfach. Jede kennt jeden und die Wege sind kurz.

Wir sind ein öffentliches Haus mit viel „Freiheiten“, was therapeutisches Vorgehen betrifft.

Sind in Ihrem Bereich familienfreundliche Arbeitszeiten möglich?

Die Anästhesie war nie meine Wunschfachrichtung. Einer der Gründe, warum ich mich dann doch für sie entschieden habe, war die Vereinbarkeit mit der Familie. Ich hatte bereits zwei Kinder als ich im WKK Heide mit der Facharztausbildung anfing. In unserem Fachbereich haben wir relativ geregelte Arbeitszeiten und Teilzeit ist sehr gut möglich. Aber im Allgemeinen bin ich der Überzeugung, dass jede Abteilung familienfreundlich sein kann und muss. Da können wir uns eine Scheibe von unseren skandinavischen Nachbarn abschneiden. Im Übrigen ist es eine Win-Win Lösung: Kollegen/innen, die in einer glücklichen Familiensituation leben, kommen gut gelaunt und ausgeglichen zur Arbeit und sind so eine Bereicherung für das Team.

Ist im Klinikum die Möglichkeit einer ausreichenden Kinderbetreuung vorhanden?

Wir bemühen uns, ein familienfreundlicher Betrieb zu sein, aber auch hier werden die Grenzen wieder von der wirtschaftlichen Seite gesetzt. In einem 24-Stunden-Betrieb, der zum größten Teil mit weiblichem Personal arbeitet, benötigt frau auch eine Rundum- Kinderbetreuung mit hoher Flexibilität. Das ist niemals wirtschaftlich und so auch zurzeit nicht umsetzbar. Schade!

Sie sind Mitbegründerin und lange Zeit Vorsitzende des klinischen Ethikkomitees des KNF gewesen. Was waren Ihre Beweggründe und was konnten Sie mit dem Komitee erreichen?

In der Intensivmedizin müssen wir sehr häufig Entscheidungen treffen, die uns alle an unsere Grenzen bringen. Es geht oft um Therapiebegrenzung. Häufig nachdem das Team Tage bis Wochen um das Leben des Patienten gekämpft hat. Für mich ist es ein absolut wichtiger Teil meiner Arbeit, diese Entscheidungen am Lebensende zusammen mit den Angehörigen gut zu fällen.

Ein Ethikkomitee kann diesen Prozess unterstützend begleiten und die endgültige Entscheidung mittragen. Das ist eine Entlastung für das ganze Behandlungsteam. Zum Glück hatte ich in der Gründungsphase eine hervorragende Seelsorgerin zur Seite. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, dieses Komitee auf die Beine zu stellen. Wir haben in der Zeit regelmäßige ethische Fallbesprechungen auf der Intensivstation abgehalten und konnten durch Spenden einen Raum der Stille finanzieren und einrichten.

Vor einiger Zeit waren Sie mit der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ in Afghanistan. Sie waren dort in einem Krankenhaus als Anästhesistin und Intensivmedizinerin tätig. Welche Eindrücke haben Sie aus diesem Einsatz mitgenommen?

Afghanistan hat mein Leben verändert. Ich hatte dieses Land eigentlich von vornherein ausgeschlossen (wie ich auch nie Anästhesistin werden wollte) und bin dann doch dort gelandet. Ich habe dort großartige Menschen kennengelernt und alle meine Vorurteile der islamischen Kultur gegenüber aufgehoben. Die Arbeit und das Leben unter kriegsähnlichen Bedingungen mit einfachsten Mitteln war eine große Herausforderung. Das nationale Team war unglaublich toll. Ich habe nie wieder so wissbegierige Kollegen gehabt, die trotz ihres harten Lebens immer fröhlich, hilfsbereit und gastfreundlich waren. Das Schlimmste für sie war, dass wir aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nie zu ihnen nach Hause durften, ein Jammer! Dort ist mir klargeworden, wie wichtig für unsere Zukunft ein interkultureller Dialog ist. Nicht nur deswegen bin ich froh, in meinem Team Kollegen aus der ganzen Welt zu haben.

Was sind Ihre größten Befürchtungen in der Corona Pandemie, mit Blick auf die unter Ihrer Verantwortung stehende Intensivstation?

Ehrlich gesagt habe ich gerade im Hinblick auf unsere Intensivstation keine Befürchtungen, was die Pandemie betrifft. Wir sind ein großartiges Team. Wir sind gut vorbereitet, wir haben bisher schon einige COVID Patienten behandelt – wir können das! Befürchtungen, die ich habe, sind unabhängig von Corona und die liegen in der seit Jahren zunehmenden Personalknappheit. Dies betrifft aber nicht nur die Intensivstation, sondern ist ein bundesweites Problem.

Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft in beruflicher Hinsicht?

Meines Erachtens darf Medizin nicht rein wirtschaftlich betrachtet werden. Gesundheit ist hoheitliche Aufgabe des Staates und dieser muss sich überlegen, wie viel Gesundheit für sein Volk er leisten kann. Die Politik und die Standesvertretungen müssen für das Personal im Gesundheitsbereich auf allen Ebenen gute Arbeitsbedingungen schaffen. Wichtig sind weiterhin eine gute Bezahlung, ein familienfreundlicher Arbeitsplatz, ein verlässlicher Dienstplan, eine gute Atmosphäre und eine sozialverantwortliche Umgebung. Die Patienten/innen müssen den Zugang zu der Medizin haben, die sie benötigen, dies darf nicht wirtschaftlich diktiert werden.

Frau Magaard, vielen Dank für das Gespräch.